"Spiele brauchen keine Polygone. Sie brauchen keine Millionen Farben. Und sie brauchen weder FMV noch gerenderte Grafiken, aber es gibt eine Sache, ohne die kein Spiel auskommt.." ("Spielregeln", Play Time 10/94)

GAMEPLAY (Teil I)

von TOMAES

Herbst 1977: Ein kleines, simples aber schlicht und ergreifend NEUES Spiel erobert die Welt. Die Menschen stehen erstaunt vor dem ersten Arcadeautomaten von Atari, drehen und rütteln an Schaltern und freuen sich des Lebens, den Blick starr auf einen monochromen Bildschirm gerichtet. Ein kleiner, leuchtender Punkt bewegt sich quer über den Schirm. Jeder Spieler hatte einen Querbalken, den er mittels eines Steuerknüppels (das Wort Joystick gab’s noch nicht) rauf und runter bewegen konnte. Wenn man den kleinen Punkt (Ball?!) traf, wurde dieser zum "Gegner" zurück geschleudert. Wenn einer von beiden den Punkt verfehlte, wurde der Punktestand des anderen erhöht. Den Begriff Gameplay gab’s noch nicht, überhaupt war das Ganze ziemlich neu und aufregend, wenngleich es sich nicht (wie viele glauben) um das erste Videospiel überhaupt handelte (schon in den 50er Jahren gab es die ersten Ansätze). Die Rede ist natürlich von "PONG", einem für damalige Verhältnisse revolutionärem Spiel. Aus heutiger Sicht scheint es fast ZU simpel, so dass man behaupten könnte es hatte (noch) gar kein Gameplay. Wenn man sich fragt warum Pong so erfolgreich war, kommt man auf einige Fragen:


"Wie erfolgreich wäre PONG gewesen, wenn der Schläger zu klein gewesen wäre, um den Ball zu treffen? Oder wenn sich der Ball so schnell bewegt, dass er kaum mehr zu erkennen ist? Oder wenn der Ball vom Schläger in eine vom Zufall bestimmte Richtung springt? .."

In jedem Fall hätte es sich nicht direkt um einen Bug gehandelt, dennoch wäre der Spielgenuss wesentlich beeinflusst worden, und zwar unzweifelhaft zum Negativen. Man könnte sagen es handelt sich in solchen Fällen um mangelndes oder "fehlerhaftes" Gameplay.. Was ist dieses ominöse "Gameplay" eigentlich ?! Eine mögliche Definition (bzw. das Ziel von Gameplay) wäre.:


"...ein Aspekt des Spiels, der ein Gefühl von Leistung und Anregung verschaft, während es gleichzeitig vor Fustration und Langeweile bewahrt.."

Oder einfacher gesagt: Gameplay ist der Grund, aus dem wir (Computer-) Spiele spielen, warum wir fürs Spielen Zeit aufwenden, der (eigentliche) Grund für unsere Motivation uns mit einem (Spiel)Programm länger zu beschäftigen.

Ein wichtiges Prinzip ist das Verhältnis von Ursache und Wirkung. Wenn der Joystick vom Spieler in eine bestimmte Richtung bewegt wird, erwartet dieser eine entsprechende Reaktion. Das mag den meisten einleuchten und als selbstverständlich erachtet werden, dennoch ignorierten etliche Spiele dieses Prinzip. Die Steuerung sollte nicht nur einer bestimmten Erwartungshaltung entsprechen, sondern auch möglichst präzise die Vorgaben des Spielers umsetzen. Wenn bei einem Actionspiel die vom Spieler vorgegebene Bewegung nur zeitverzögert oder ungenau erfolgt, ist der Spielspaß schnell dahin. Der Spieler fühlt sich vom Programm "ungerecht" behandelt (weil es mit der "Zeitlupen"-Steuerung unmöglich ist den feindlichen Raumschiffen auszuweichen) und verliert schnell die Motivation zum weiterspielen. Aber neben der präzisen Steuerung ist noch eine weitere Sache von enormer Wichtigkeit. Wenn man in einem (3D)Shoot’em Up auf ein Monster / Raumschiff / Extra ballert, sollte das natürlich eine bestimmte Reaktion hervorrufen. Das Extra wird "aktiviert", das Monster wird zu Asche (hähä ;)) und das Raumschiff explodiert. Man muss also eine Möglichkeit haben mit der Spielumgebung zu interagieren, d.h. Aktionen des Spielers müssen Auswirkungen auf die virtuelle Spielwiese haben.


"..je weniger die Spielumgebung von den eigenen Aktionen beeinträchtigt wird, desto distanzierter steht man dem Spiel gegenüber.."

Ein weiteres Element motivierender Spiele besteht in dem Prinzip der Wiederholbarkeit, d.h. einer ganz bestimmte Handlung des Spielers sollte eine ganz bestimmte Reaktion des Spiels folgen. Beim ersten Mal mag diese Reaktion noch völlig unerwartet sein. Öffnet man z.B. eine Kiste (in Erwartung eines Extras) und ein Monster springt heraus und killt den Spieler, so mag dies zunächst unfair und vielleicht sogar unlogisch erscheinen, aber beim nächsten Mal wird man vorsichtiger sein. Man erwartet also, dass erneut ein angriffslustiges Monster aus der Kiste hüpft und vermeidet diese Aktion wenn man nicht entsprechend gerüstet ist. Man lernt, dass eine bestimmte Handlung immer die selbe (oder eine ähnliche) Wirkung hat. Man glaubt das Spiel zu beherrschen.


"Einer der Gründe, warum die Leute Computer- Videospiele lieben, besteht darin, dass sie mit steigenden Leistungen das Gefühl bekommen, das Spiel im Griff zu haben. Nach all dem Leid und der anfänglichen Fustration bekommen sie schliesslich ihre Genugtuung. Ohne Wiederholbarkeit ist dies nicht möglich.."

Es ist natürlich möglich (und völlig richtig), wenn man dieses einfache Schema etwas variiert. Wenn man die Kiste öffnet, kann sich (zufallsgesteuert?) auch ein Diamant darin finden. Das Spektrum der Möglichkeiten muss aber vertraut bleiben. Auch wenn es nur eine 10% Chance gibt, dass ein bestimmtes Ereignis auftritt (nur in 10% der Fälle erscheint ein Monster, ansonsten ein Diamant), das Prinzip der Wiederholbarkeit (und somit die Möglichkeit der Kontrolle des Spielers über das Spiel) ist vorhanden.



..weiter geht's in Teil 2..