Kein Happy End (für die Vase)

von Marko Münzberg

Eine kühle Brise umspielt die Mauern des Hotels "Excelsior", dem ältesten Hotel am Platze. Es ist früh am Morgen, und die ersten roten Sonnenstrahlen vermögen es noch nicht, den schnittig gemähten Rasen an der großen Eingangsfront zu wärmen. Leise flüstern die Vögel in den Bäumen, in der Ferne ruft ein Kuckuck.

Doch plötzlich, laut und mit donnerndem Getöse jagt ein Auto in die Stille hinein. Ohne jeden Respekt bremsen seine polierten Räder vor dem schlafenden Hotel. Staub wirbelt auf. Die Vögel fliehen in den Himmel.

Der Fahrer steigt aus, ein Chauffeur mittleren Alters. Er umrundet den Wagen zur Hälfte und öffnet die Tür für den aussteigenden Fahrgast. Zuerst ein Bein, dann ein zweites kommt zum Vorschein. Eine Dame, Ende 20, wohlhabend und mit weißem Kostüm betucht, entsteigt elegant, wie eine Antilope im Sprung, dem Gefährt. Es scheint, als ginge die Sonne an diesem Morgen ein zweites mal auf. In bedächtigen Schritten schwebt die Dame in die Eingangshalle hinein. Das Hotelpersonal eilt zum Gepäck.

An der Rezeption begrüßt sie der Empfangschef: "Mrs. Campanelli, wie schön, Sie begrüßen zu dürfen.", säuselt er. Wie eine Feder lüfteln die Worte der Dame zurück: "Wie schön, hier Gast sein zu dürfen. Bitte geben Sie mir doch mein Zimmer, die Nummer 228." "Oh, entschuldigen Sie, leider ist die Nummer 228 belegt. A.J. Miller, der Manager des Hotels, hat sein Büro in der Nummer 228 eingerichtet." "Was? Das kann doch wohl nicht wahr sein!" Der Engel wendet sich zur Furie. Laut schreiend wirft die Dame die alte Vase, derer sich schon so viele Gäste in der Eingangshalle erfreuten, auf den Boden. Sie zerbricht. Einen kurzen Moment herrscht Stille.

Da betritt ein Mann die Szenerie. Ein Mann, wie ein Fels in der Landschaft. Sonnengebräunte Haut ziert seine muskulösen Oberarme. Sein wildes, dunkles Haar ist nur mäßig durch Haargel gebändigt. Grau funkeln seine Augen. A.J. Miller, 30 Jahre alt und der Manager des Hotels, betritt mit einem Tennisschläger bewaffnet und in sportlichem Outfit die Eingangshalle. Er kommt gerade von seinem allmorgendlichen Match mit dem Wirtschaftsboss Hugoni. Wie ein benommener Puma schlendert A.J. Miller auf Mrs. Campanelli zu. Sein Blick verrät, dass er weiß, was er zu tun hat. "Mrs. Campanelli, ich bedaure zutiefst, dass ich an ihrem Leid die Schuld trage, dass ich für den Kummer in ihrer so betörenden Brust verantwortlich bin." Mrs. Campanelli errötet leicht. Ihr Blick weicht scheu auf das glänzende Parkett. Mit bibbernder Stimme würgt sie: "Nunja, vielleicht könnten wir uns ja doch einigen.". Mit ausgestrecktem Zeigefinger tippt sie auf seine, mit gespannten Muskelfasern gefüllte, Männerbrust.

A.J. Miller würde nie einen Hotelgast enttäuschen. Sein rechter Arm schnellt weisend hoch. "Champagner in die Präsidenten-Suite!", schallt es durch die Halle. Mit einer wendigen Bewegung umgreift er Mrs. Campanellis Hüfte. Er drückt sie eng an sich, so dass sie leise stöhnt. Mrs.Campanelli denkt: "Oh ja, bitte lass es wahr werden!". Mr. A.J. Miller denkt: "Ein Wunsch eines Gastes ist mir Befehl!". In zitternden Bewegungen schreiten beide auf die blaugoldene Hoteltreppe zu, die zur Präsidenten-Suite führt. Man sollte beide bis zum nächsten Morgen nicht mehr sehen.

Der Wind hat sich indes gelegt. Warm leuchtet der schnittig-grüne Rasen im morgendlichen Sonnenschein. Die Vögel flüstern leise in den Bäumen, in der Ferne ruft ein Kuckuck. <font color="c03626">(</font><a href="mailto:muenzbergm@web.de" title="Mail an Autor">Marko</a><font color="c03626">)</font>