Vorsicht Parkbank!
von Marko Münzberg
Es ist kühl an diesem Tag. Der Himmel ist zwar blau und hell von Sonne, doch die
Temperaturen lassen keinen Zweifel: es ist kühl an diesem Tag. Der Winter besuchte gestern
den großen Park der Stadt. Er sagte nichts und grüßte nicht. Er kam, und es wurde kalt. Die
Rasenflächen schlafen, es ist still. Einzig der kalte Wind bewegt hier und da einen Zweig, so
dass es scheint, als wäre Leben in den Sträuchern.
Aber einen Steinwurf hinter dem Park befindet sich ein lebhafter Rummelplatz. Kinder toben
laut und Betrunkene singen ihre Lieder. Neben dem Bierzelt steht eine Bank, auf der eine alte
Frau sitzt. Sie schaut hinüber, hinüber zu dem Park, als ein Mann ihren Blick unterbricht. Er
stellt sich vor sie und fragt: "Ey du alte Frau, wo schauste denn da hin?" Die Frau richtet ihren
Blick nach oben. Alte Augen, etwas rot vor Kälte, sehen sich den Mann an. "Ich schaue
hinüber zu dem Park." Der Mann hat nicht verstanden. "Und warum dat?"
Er setzt sich neben ihr auf die Bank. Die Frau schnürt ihren Schal etwas enger und sieht dem
Mann wieder ins Gesicht. "Da drüben, dort im Park, da ist mein lieber Oskar. Ich liebe ihn!"
Der Mann hat verstanden. "Aha, du bist also verliebt." Beide schweigen.
Nach einer Weile fasst sich der Mann ein Herz. Er nimmt einen großen Schluck aus der
halbleeren Weinpulle in seiner Linken und fragt: "Willst du mir nicht deinen Oscar
vorstellen?" Er rülpst ihr ins Gesicht, säuselt. Auf dem Gesicht der Frau bildet sich ein
Lächeln. "Aber gerne, gerne!" Beide erheben sich von der Bank und schwanken hinüber zu
dem großen Park. Es ist kalt, ihre Füße sind leicht gefroren.
Angekommen bleiben sie vor einer alten, grün gestrichenen Parkbank stehen. "Das ist mein
Oscar," sagt die Frau und zeigt auf die Bank. Der Mann reagiert verstört. "Das?" Entsetzt
starrt er auf die Parkbank. "Harald, stimmt das?" Die Bank schweigt. "Harald, stimmt
das?!?!", wiederholt er. Die Bank schweigt, aber scheint peinlich berührt. Der Mann wendet
sich an die Frau: "Mir hat er gesagt, er heißt Harald. Ich liebe ihn auch! Wir hatten so schöne
Nächte diesen Sommer, zusammen hier im Park. Nackt ließen wir uns vom Sommermond
bescheinen und niemand konnte unser Glück zerstören!"
Die Frau zieht ein Messer. Aufgebracht schreit sie: "Nein!! Er heißt Oscar!! Oscar!!" Der
Mann schwankt, Blut fließt aus seiner Brust. Er taumelt und fällt auf die Parkbank. In seinen
letzten Sekunden und mit eigenem Rot schreibt er "Harald" auf seine geliebte Bank. Unter
Schock zieht die Frau das Messer ein zweites Mal. Auch sie beginnt stark zu bluten und stürzt
benommen auf die Bank. Mit letzter Kraft und mit eigenem Rot schreibt sie "Oscar" auf das
grüne Holz um dann für immer zu verstummen. Stille bedeckt den Park. Der Wintersonne
bietet sich ein unschöner Anblick. Die Vögel schauen weg.
Es ist kalt, der Wind bewegt leicht die Sträucher. Eine Straßenlaterne und ein junger Mann
spazieren Hand in Hand über die Rasenflächen. Die grüne Parkbank schaut unschuldig in den
blauen Himmel.
(Marko)