Grundlagen Computernetze


Prof. Jürgen Plate

Störquellen

Auf die Verkabelung eines Netzes wirken die mannigfachsten elektromagnetischen Störquellen ein, z. B. elektrisch angetriebene Maschinen, Leuchtstofflampen, die Computer, Kopierer, und vieles andere. Aber auch die Kabel selbst verändern das Signal durch ihren ohmschen Widerstand und die Tiefpaßcharakteristik. Alle Einflüsse ändern das eingespeiste digitale Signal - unter Umständen bis hin zu Fehlern auf Empfängerseite. Das Bild zeigt die wichtigsten Störeinflüsse und deren Auswirkungen.

Dämpfung

Wie schon erwähnt, wirkt die Leitung wie ein Tiefpaßfilter: sie läßt nur niedrige Frequenzen durch, hohe werden herausgefiltert. Diese Tiefpaßeigenschaft der Leitung zwingt dazu, nach einer gewissen Leitungslänge Verstärker (Repeater) einzubauen, um das Signal wieder zu regenerieren. Das Verhältnis von Aus- zu Eingangsspannung wird Dämpfung genannt und in Dezibel (dB) angegeben. Dabei gilt:

  
     1 dB = 20 * log(Eingangsspannung/Ausgangsspannung)

Ideal ist natürlich ein Verhältnis von 1:1 zwischen Ein- und Ausgangsspannung, also eine Dämpfung von 0 dB. Das bleibt aber ein Ideal, da jede Leitung einen gewissen Widerstand hat. Die naheliegendste Abhilfe liegt im Einsatz der Zwischenverstärker. Doch auch diesen sind prinzipielle Grenzen gesetzt.

Auch mit Verstärkerelementen, sogenannten Repeatern, sind nicht beliebig lange Leitungen realisierbar. Auf jede Leitung wirken Störungen ein. Diese elektrischen Signale weisen meist ein zufällig verteiltes Frequenzspektrum auf. Alle möglichen Nutzfrequenzen werden also mehr oder weniger stark gestört. Wichtig ist dabei,daß das Nutzsignal noch eindeutig erkennbar bleibt. Das Amplitudenverhältnis von Nutz- und Rauschsignal (in dB) nennt man Störabstand oder auch Signal-Rausch-Abstand. Repeater können aber in der Regel nicht zwischen Nutz- und Störsignal unterscheiden, sondern verstärken das gesamte Eingangssignal. Damit hat zwar das Ausgangssignal einen hohen Pegel, aber der Signal-Rausch-Abstand hat sich dabei nicht verbessert. Auf der nächsten Leitungsstrecke kommt zwangsläufig wieder Rauschen dazu, so daß mit wachsender Leitungslänge das Nutzsignal von immer mehr Rauschen überlagert wird.

Wenn der Rauschpegel genauso groß ist wie der Nutzpegel, kann kein Empfänger mehr Nutz- und Störsignal voneinander unterscheiden. Einige Tricks gibt es doch, der einfachste ist natürlich eine möglichst undurchlässige Abschirmung der Leitung, um das Eindringen des Rauschens zu verringern. Sonst wäre das weltumspannende Telefonnetz überhaupt nicht funktionsfähig.

Bei der Verlegung von Datenleitungen kommt es aber nicht allein auf eine gute Abschirmung an. Immer dann, wenn es um die elektrische Anpassung der Leitung an ein Gerät oder eine andere Leitung geht, kommt es auch auf die Beachtung des Eingangswiderstands oder der Impedanz der Leitung an. Anpassung ist immer dann gegeben, wenn der Ausgangswiderstand der einen Leitung genauso groß ist wie der Eingangswiderstand der anderen. Denn nur in diesem Fall kommt es nicht zu Reflexionen an den Übergangsstellen. Sonst geht eine ankommende Welle nicht vollständig in das neue Medium über, sondern wird teilweise an der Nahtstelle reflektiert und damit zum Störsignal.

Begrenzung der Bandbreite

Man kann sich ein typisches Digitalsignal auch zusammengesetzt aus einer größeren Anzahl von Sinussignalen unterschiedlicher Freqenzen vorstellen. Je höher die Frequenz ist, desto geringer ist die Amplitude des jeweiligen Signals. Von diesen Frequenzen gelangen nur die Anteile zum Empfänger, die innerhalb der Bandbreite der Übertragungsstrecke liegen. Je geringer die Bandbreite des Mediums ist, desto mehr wird das Rechtecksignal "verschliffen". Am Empfangsort muß dann die Rechteckform wieder regeneriert werden. Nyquist hat eine Formel abgeleitet, mit der sich die maximale Datenübertragungsrate bei gegebener Bandbreite ermitteln läßt. Bei einem Digitalsignal (also zwei unterschiedliche Signalpegel) können bei einer Bandbreite von B (in Hertz) 2*B Bit pro Sekunde Übertragen werden. Allgemein lautet die Formel für die Übertragungsrate C (in Bit/s) bei einer Bandbreite B und einer Anzahl der Signalpegel M:

    C = 2*B*ld(M)

In der Praxis wird dieser Idealwert natürlich nicht erreicht, weil andere Störgrößen (z. B. Rauschen) dies verhindern. Eine Begrenzung der Bandbreite kann durch zu hohe Dämpfungswerte oder falsche Kabeltypen hervorgerufen werden. Insbesondere sollte man bei der Twisted-Pair-Verkabelung die geringe Mehrausgabe nicht scheuen und gleich Typ-5-Kabel für 100 MBit/s verwenden, auch wenn man noch mit 10 MBit/s arbeitet. Bei einer späteren Aufrüstung ist das Neuverlegen wesentlich teuerer. Meist tritt jedoch die Bandbreitenbegrenzung bei WAN-Verbindungen über Modem in Erscheinung. Die derzeit erreichbaren Raten von 33600 bps und mehr sind bei normalen Telefonverbindungen schon am Rande des technisch möglichen.

Verzerrungen durch Laufzeit

Die Geschwindigkeit, mit der ein sinusförmiges Signal in einem Medium transportiert wird, variiert mit der Freqenz. Wenn also ein Rechtecksignal übertragen wird, das wir uns als Gemisch von Sinussignalen unterschiedlicher Frequenz vorstellen, dann kommen die einzelnen Frequenzanteile zu verschiedenen Zeiten beim Empfänger an (Laufzeitverzerrungen). Die Verzerrungen nehmen mit steigender Datenrate noch zu, weil das Signalgemisch nicht homogen wie bei einem stetigen 0-1-Wechsel ist. Die Signalanteile, die durch die Flanken des Digitalsignals hervorgerufen werden, kommen häufiger vor und interferieren zusätzlich mit anderen Signalanteilen. Man spricht deshalb auch von 'Intersymbol-Interferenzen'. Diese können dazu führen, daß bei der Abtastung des Signals beim Empfänger in der nominellen Bitmitte Fehler auftreten können. Bei manchen Empfängerschaltungen versucht man diesen Fehler zu umgehen, indem der Abtastzeitpunkt adaptiv geändert wird. Die Laufzeitverzerrungen sind auch der Grund dafür, daß nicht beliebig viele Repeater hintereinandergeschaltet werden können.

Rauschen

In einem idealen Übertragungskanal sind in Übertragungspausen außer dem Ruhepegel keinerlei elektrische Signale festzustellen. In der Praxis stahlen jedoch mannigfache elektromagnetische Wellen auf das Kabel ein. Quellen solcher Störsignale sind alle elektrischen Geräte und Maschinen in der Umgebung der Leitung und nicht zuletzt auch die natürliche Strahlung von Erde und Atmosphäre. Die Freqenzen und Feldstärken sind von zufälligen Faktoren abhängig. Alle diese auf das Übertragungsmedium einwirkenden zufälligen Signale nennt man 'Rauschen'. Dieses Rauschen läßt sich durch keinerlei Maßnahmen vollständig beseitigen, sondern nur mildern, z. B. durch abgeschirmte Kabel.

Aber auch innerhalb der Übertragungsstrecke, etwa durch die Bewegung der Elektronen im Leiter wird ein, wenn auch sehr schwaches, zusätzliches Signal erzeugt. In den Übertragungsweg geschaltete Verstärker, z. B. Repeater, verstärken natürlich nicht nur das Nutzsignal, sondern auch den Rauschanteil. Wenn das Rauschen einen gewissen Pegel übersteigt, kann dies zu empfängerseitigen Fehlern führen.

Von besonderem Interesse ist das Verhältnis von Nutzsignal zum Störsignal, da dieses 'Signal-Rauschverhältnis' wie schon die vorher erwähnte Bandbreite die maximale Übertragungsrate beeinflußt. Speziell bei der modulierten Übertragung spielt dieser Faktor eine wichtige Rolle. Das Signal-Rauschverhältnis wird meist in Dezibel angegeben:

      SR = 10 * log(Signalpegel/Rauschpegel) dB

Ein hoher Wert für SR impliziert einen weiten Abstand zwischen Signalpegel und Rauschpegel. Ein niedriger Wert steht für 'schlechte' Leitungen. Ein schlechter Wert läßt sich immer auf zwei Wegen verbessern; entweder durch Anheben des Signalpegels oder durch reduzieren des Rauschpegels. Das theoretische Maximum der Datenübertragungsrate C abhängig von SR und der Bandbreite B wird durch das Gesetz von Shannon-Hartley definiert:

      C = B * ld(1 + SR) bps

Maßnahmen zur Senkung des Rauschpegels sind einerseits Abschirmung (beim Koaxkabel), im Einstreuung von Störsignalen zu verhindern, und andererseits Differenzsignale (bei Twisted Pair), bei denen sich die eingestreuten Störungen auf den beiden Leitungen kompensieren.

Reflexionen, Rückflußdämpfung, Nebensprechen

Die meisten Netzverkabelungen setzen mittlerweile auf einer einheitlichen physischen Infrastruktur auf die bestimmten Anforderungen genügen muß. Die international wichtigsten Normen für Netzwerkverkabelungen sind: TIA 56813, ISO/IEC 11801 und DIN/EN 50173. Die Normen unterscheiden verschiedene Leistungsklassen der Netzwerkverkabelung: die TIA, die bekannten Kategorien Cat 3, Cat 5, Cat 5E, Cat 6 und Cat 7, und die ISO/IEC und EN die Klassen C, D, E und F.

Category

Type

Spectral B/W

Length

LAN Applications

Notes

Cat3 UTP 16 MHz 100m 10Base-T, 4Mbps Now mainly for telephone cables
Cat4 UTP 20 MHz 100m 16Mbps Rarely seen
Cat5 UTP 100MHz 100m 100Base-Tx,ATM, CDDI Common for current LANs
Cat5e UTP 100MHz 100m 1000Base-T Common for current LANs
Cat6 UTP 250MHz 100m   Emerging
Cat7 ScTP 600MHz 100m    

Die Normen definieren verschiedene Verbindungsarten, englisch "Link". Die Basic Link Definition schließt die Messkabel mit ein.

Inzwischen wird aber normkonform nur noch nach Permanent Link oder Channel gemessen. Bei der Permanent-Link-Messung (PL) darf der Einfluss der Messkabel nicht in die Messwerte eingehen. Damit belegt der Installateur seinem Auftraggeber die Funktion genau der Strecke, die er installiert hat, üblicherweise das fest verlegte Kabel inklusive der Dosen an beiden Enden. Die dritte Link-Definition, der Channel, schließt die Patchkabel mit ein, mit der die Endgeräte an die fest installierte Strecke angeschlossen werden. Bei dieser Messung wird der gesamte Übertragungsweg, über den die Netzkommunikation läuft, erfasst. Nicht in den Messwerten niederschlagen dürfen sich nach der normgemäßen Channel-Definition die Anteile der letzten Steckverbinder, mit denen die Patchkabel an die Messgeräte angeschlossen werden. Ein automatischer Test an einer Netzverkabelungs-Strecke schließt nach Norm die folgenden Messungen und Prüfungen ein:

Ein genereller Problempunkt bei Messungen von Cat 6/Klasse E-Verkabelungen ist die elektrische Kompatibilität von Stecker und Buchse. Natürlich paßt jeder RJ-45-Stecker mechanisch in jede RJ-45 Dose, aber harmonieren Stecker und Dose auch elektrisch? Die Hersteller müssen spezielle Maßnahmen ergreifen, um die für Cat 6/Klasse E festgelegten Grenzwerte der Steckverbinder zu garantieren. Meist sind das kleine Leiterplatten mit Kondensatoren, die durch geeignete Verschaltung das in der gesteckten Verbindung (RJ-45 Stecker in Dose eingesteckt) entstandene Übersprechen kompensieren. Der Kompensationsschaltkreis kann dabei in Stecker oder Dose eingebaut sein. Wichtig für die Übertragungseigenschaften ist nur das hochfrequenztechnische Gesamtergebnis von Dose und Stecker.

Die Erfüllung der Cat 6/Klasse E-Leistungsdaten von Steckern und Dosen verschiedener Hersteller miteinander ist nicht garantiert. Das betrifft leider auch die Stecker an den Permanent-Link-Adaptern der Kabeltester!

Für den Installateur bringt eine Channel-Messung Vorteile. Bei Messungen nach Permanent Link werden ja die Permanent-Link-Adapter für jede Strecke einmal ein- und ausgesteckt. Die Stecker unterliegen also ständigem Verschleiß. Da sie Teil des Messaufbaus sind, kann man die Stecker an den Permanent-Link-Adaptern nicht einfach ersetzen, denn damit verändern sich die elektrischen Eigenschaften des Messaufbaus, was zu Verfälschungen der Messwerte führt. Der Permanent-Link-Adapter ist also ein Verschleißteil, das normalerweise nach einigen tausend Messungen ersetzt werden muß.
Im Gegensatz dazu werden Messungen mit dem Channel-Adapter und einem Patchkabel durchgeführt. Das zum Zertifizieren verwendete Patchkabel kann dabei am Channel-Adapter eingesteckt bleiben, hier gibt es also kaum Verschleiß am Adapter. Nur der Stecker am anderen Ende des Patchkabels verschleißt, so daß nur dieses Kabel ersetzt werden muß.

CAT5, CAT5e, and CAT6 UTP Solid Cable Specifications Comparison
  Category 5 Category 5e Category 6
Frequency 100 MHz 100 MHz 250 MHz
Attenuation (Min. at 100 MHz) 22 dB 22 dB 19.8 dB
Characteristic Impedance 100 ohms ± 15% 100 ohms ± 15% 100 ohms ± 15%
NEXT (Min. at 100 MHz) 32.3 dB 35.3 dB 44.3 dB
PS-NEXT (Min. at 100 MHz) no specification 32.3 dB 42.3 dB
ELFEXT (Min. at 100 MHz) no specification 23.8 dB 27.8 dB
PS-ELFEXT (Min. at 100 MHz) no specification 20.8 dB 24.8 dB
Return Loss (Min. at 100 MHz) 16.0 dB 20.1 dB 20.1 dB
Delay Skew (Max. per 100 m) no specification 45 ns 45 ns

Erdschleifen

(Ground Loops) entstehen durch einen Potentialunterschied zwischen Sender und Empfänger. Durch Erdschleifen werden u. U. sehr große Ströme auf der Abschirmung oder den Masseleitungen hervorgerufen, wodurch auch Störungen auf die Signalleitungen gelangen (Induktion). Durch das nur einseitige Erden der Abschirmung (meist im Verteiler oder am Patchfeld) lassen sich Erdschleifen vermeiden. Eine aufwendigere Methode ist der Einsatz von Optokopplern, die Sender und Empfänger galvanisch trennen.

Eine Erdung von Datenkabeln erfolgt eigentlich nur im Bereich explosionsgefährdeter Industrieanlagen. Bei unsachgemäßer Verkabelung richtet die Erdung mehr Schaden als Nutzen an.

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