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Lachen, Machen, Steuern zahlen

„Lach jetzt endlich. Los, lach. Jetzt lach aber mal. Wenn Du jetzt nicht lachst. L ..."

Das Erwachen ist jäh, der Nacken schmerzt. Nach 24 Stunden Kleinkunbstbörse vergeht mir das Lachen. Die armen Komiker da vorne. Auf dem Tisch stehen kalte Käsespätzle, die Freiburger Sonne wärmt mitten im März - toll. Hier entsteht also das Flair-Programm?

Sind es jetzt 17, 5 oder 22 Prozent? Frau Müller am anderen Ende der Leitung will allein im großen Frankfurter Finanzamt nichts entscheiden. Herr Gnade (echt!) soll unseren Zahlungsaufschub genehmigen. Der Novemberregen findet einen Durchlaß im Bahnhofs-Fensterrahmen. Es ist klar: Wir müssen die zigtausend Mark Ausländersteuer nachzahlen. Hier entsteht also das Flair-Programm?

Im abgedunkelten Raum rutscht die letzte Demo-Folie zum Programmablauf vom Overhead-Projektor. Die Abstimmung bringt Saures. Vieles bleibt beim Alten. Keine Aufbruchstimmung. Flache Witze statt Galgenhumor. Hier entsteht also das Flair-Programm?

Der Komiker in Hamburg ist echt und hat ein Einsehen. „Klar, ihr macht das alles ehrenamtlich. (eine Einheit lang Nachdenken). Also O.K. wir machen es für - piep - (Summe vom Kassierer unkenntlich gemacht). In den Zeiten des wirtschaftlichen Verfalls einer ganzen Region ist es schwer, mit Komikern über Programme zu verhandeln. Da bleibt das Lachen im Halse stecken. Das kostet Geld. Das ist Kultur. Das lenkt nur von den wirklichen Problemen ab. In Zeiten wirtschaftlichen Verfalls ist es schwer, Preissteigerungen zu akzeptieren und es ist schwer, mehr Menschen für die ehrenamtliche Arbeit zu gewinnen.

Der Arbeitskreis Open Flair ist zerrissen wie nie. Mit dieser kleinen Schar Unentwegter allein geht es nicht weiter auf diesem Niveau und mit diesen Ansprüchen. Entweder wir gründen sofort die Kommune Open Flair, oder wir übergeben die Planung des Festivals Fritz Rau oder den tollen Jungs und Mädels von Sat.1, die irgendein Niveau garantieren und die Preise mal eben verdreifachen. Denn auch an dieser Entscheidung führt kein Weg vorbei. Die öffentlichen Geldgeber wollen, können aber nicht, die privaten Geldgeber können, wollen aber bis auf wenige löbliche Ausnahmen den Wert des Open Flair Festivals für die Region und für ihren Wirtschaftsstandort nicht verstehen.

Das Klima in Kultur-Deutschland ist rauh, erschreckte Manager fragen: „Warum wollt Ihr denn unbedingt wissen, welchen Inhalt dieses Kabarettprogramm hat. Es ist doch billig." Am Telefon ertappt man sich dabei, bei einem Künstler zunächst zu fragen, ob er denn Ausländersteuer kostet. Das hört sich dann fast so an wie: „Ist er deutsch? Ich meine - na Sie wissen schon."(unsicheres Kichern)

So geht es zu im Flair-Büro, das längst nicht mehr eine Insel der verträumten Subkultur, sondern eher ein mittelständischer Kulturbetrieb mit ehrenamtlichem Personal-Durchlauferhitzer ist. Es bleibt immer weniger Raum für Dinosaurier-Krankheiten wie Kreativität oder Gesellschaftskritik, auch wenn freitags die neue Theatertruppe in Barock-Kostümen durch die Gänge wandelt und Körperstudien betreibt.

Wo bleibt da die Motivation, wo das befreiende Gelächter nach der dienstäglichen (unkostümierten) Programmgruppensitzung?

Aber wo wir gerade beim Trübsalblasen sind, kann dieser Text auch kurz innehalten und auf dem 96er Friedhof der verworfenen Ideen (den „Programminseln", dem „Vokalschwerpunkt" und den „Fan-Projekten") gedenken. Denn so eingefahren sind die Wege nun auch noch nicht, nur eben immer enger im Dschungel des Kulturpessimismus.

Das Lachen schallt derzeit etwas höhnisch, aber immerhin: es kommt langsam zurück. Es ist schon ein Lächeln auf den Gesichtern, die sonst abgenervt und aufgerieben in den verschiedenen ehrenamtlichen Jobs noch gegen 23.30 Uhr an Alex’ Kaffee-Ersatz nippen. Es ist ein Schmunzeln bei denen, die die Programmrevolution wollten und nun auch mit viel weniger leben (vorübergehend, d. Sätzzer), es ist ein staunendes bei denen, die das Festival längst zum alten Eisen zählen möchten.

Das Zauberwort dieses Jahres heißt Vielfalt, der Weg dahin ist die Begegnung und zur Überraschung aller folgt die dritte Floskel - Qualität. Nie waren so viele Weltstars auch abseits der großen Headliner beim Open Flair. Denken wir an Luluk Purwanto (Stage Bus), Audrey Motaung (Gospel und Jazz) oder die französischen Clowns von „Les Founambules".

Obwohl die beiden Pfeile im Logo in unterschiedliche Richtungen weisen, haben sie eine gemeinsame Schnittmenge (Mengenlehrler aufgepaßt!): Independent-Punker treffen die Freunde der Barockmusik, Clowns treffen Wortakrobaten, Jazz-Jünger begegnen Märchenerzählern und Atheisten lauschen dem Gospel-Star beim Waldgottesdienst.

Gibt es in einer Region, die nicht gerade durch ein ansteckendes „Wir-Gefühl" auffällt, eine schönere Vision von einer Kulturgemeinschaft?

Das Lachen kommt für drei Tage zurück. Mit und ohne Käsespätzle. Mit Lampenfieber und wirtschaftlichen Bauchschmerzen, vielleicht zum letzten Mal so und demnächst völlig anders, aber garantiert ansteckend mitreißend.

Das 96er Programm ist aufregender denn je, kostete mehr Kraft denn je und wird zusammen mit Euch, dem Publikum, zum Lohn für Steuerzoff und kalte Spätzle, für steckengebliebenes Lachen und die Schattenseiten der Basisdemokratie.

Trotz alledem: Freuen wir uns gemeinsam auf das Lächeln in diesen zwei Sommernächten!

 


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Letzte Änderung am 20 Mai 1996.
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