Freundschaft

von Sascha Greinke



Wir küßten uns. Sehr lange und es war richtig. Eigentlich war alles richtig an diesem Abend. Das Essen, die Gespäche, dazu das Tanzen-gehen in unserer ehemaligen Stammdisco. Es hat mich immer schon fasziniert, wie sich in einer Großstadt dieser einmalige Ort, von Gestrigkeit und miefiger Provinzialität, etablieren konnte. Im gleichen Maß habe ich die wenigen Besuche der letzten Jahre genossen. Zeitreise plus ein Bier für 7,- DM, da kann man wirklich nichts sagen. Vielleicht war es auch diese Stimmung, wieder achtzehn zu sein, die uns in dieses Bett gebracht hatte. Liebe war es nicht, war es nie. Es war besser. Völlige Übereinstimmung, ohne Verpflichtungen. Sie liebt jetzt den Kerl in Berlin mit Altbauwohnung und gutem Job im Kultursenat. Trotzdem haben wir uns gefreut, über das Wiedersehen und sind auch kurz darauf - wie früher - über uns hergefallen. Es war richtig. Es gab keine Unsicherheit oder falsche Befangenheit. Im Hintergrund lief "Cafh Bleu", ihre damalige Lieblingsplatte. Es war wie vor langer Zeit!

Später fragte sie mich völlig unvermittelt: "Denkst du noch oft an R.?". "Ab und an", entgegnete ich, obwohl ich wußte, daß es gelogen war. Eigentlich dachte ich nur noch an R., wenn ich zufdällig jemanden aus der alten Szene treffe oder wenn ich Lieder höre, die einen konkreten Bezug zu dieser Zeit - die mir vorkommt, als wäre es ein anderes Leben - haben. "Break On Through To The Other Side" oder "Freak Scene" sind solche Momente, die mich an R. erinnern. Wir drei waren die lokale Spaß-Guerilla, die hedonistische Elite. Sehr bohéme, nicht reich aber schön. Er war mein Weggefährte - keineswegs mein Sancho Pansa, eher der Starsky zu meinem Hutch, oder der Friedrich zu meinem Karl, unbedingt auch der Mick zu meinem Keith - bei dem Versuch, die gute Welt in der Falschen zu erreichen. Und wir haben uns redliche Mühe gegeben. Teilweise hatten wir es geschafft. Außerdem war er mein bester Freund - in dieser jugendverwirrten Zeit - sowie ihr Lover. R. lebt schon lange nicht mehr.

"Aber wir hatten doch eine super-tolle Zeit, oder?, fragte sie. "Ja, auf jeden Fall. Die beste, die ich mir vorstellen kann!", entgegnete ich.

Sascha Greinke