Bärenblatt Sommer
1.
Heuer ist Siebenschläfer, und eine gnadenlose Sonne brennt bereits
seit der Frühe vom
wolkenlosen Himmel herab. Also blickt der Bärenmann finster seine
Bärin an, denn der Pelz eines Bären hat keinen
Reißverschluß. Daher gilt es die Hitzwelle sozusagen
zugeknöpft
bis zu den Ohren zu ertragen.
Als wäre dies nicht genug, muß sich der Bär nun auch noch
Schlips und Kragen um den Hals zurren und sein Jackett und die Hose suchen
gehen, denn soeben hat der Wecker
zum Beginn eines neuen Tages geläutet. Der widerwärtig schrille Klang
dieser Höllenmaschine soll den Bären nicht zum kühlen Glas
Bier in eine schattige Gartenwirtschaft locken, wie man sich denken kann.
Da ist ja die Hose. Der Bär darf das Beinkleid nicht allzu genau ansehen,
sonst erleidet er einen Migräneanfall. Ein unmögliches Muster, es
flimmert und flackert, es tanzt vor den Augen
und scheint niemals stille zu stehen!
Aber der Bärin gefällt's, ihren Bären modisch gekleidet
aus dem Haus gehen zu sehen.
Die Arbeit ruft! Der Bär ist, Gott sei's an diesem Tage geklagt,
Prokurist bei einer Bank. Mürrisch stapft er zur
Straßenbahnhaltestelle. Nach einer halben Stunde Fahrt als Ölsardine
unter Ölsardinen in der durch die Sonnenglast schlingernden
glühheißen Blechdose
wird die Eleganz seines Fischgrätanzugs merklich gelitten haben.
Aber die gemeinsame Straßenbahnfahrt mit den zunehmend nach
schweißigem Pelz müffelnden unglücklichen Mitpetzen ist nichts
gegen die acht endlosen Stunden Arbeit,
denen der Bär mit wachsendem
Unbehagen entgegensieht. Im Bankbüro regiert Oberprokurist
Ursusmayor, und damit ist bereits alles gesagt.
Ein zur Unkenntlichkeit verschwitzter,verknautschter Bär
versucht auf leisen Sohlen an Ursusmayors Schreibtisch vorbei zu schleichen.
Kurz umwölkt sich die heitere Miene des Fleißigen. Sieh an,
Prokurist Müller kommt mal wieder zu spät zur Arbeit. Was
für einen trostlosen Anblick dieser Bär
bietet! So ein
Siebenschläfer wie der wird es wohl nie zu was bringen.