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Sucht


Da ist es mal wieder. Dieses lang nicht mehr erlebte Kribbeln. Als ob mir eine ganze Ameisenarmee über Arme und Brust läuft. Ein nervöses Prickeln, früher immer die klassische Einleitung für psychedelische, omnipotente Nächte. Heute noch ein alter Bekannter, den ich nicht vermisse, der aber viel zurückholt von etwas, das ich dachte abgelegt zu haben, abgelegt wie eine alte Jacke, die man schon immer gehaßt hat und die nun endgültig entsorgt wird.

Dieses Kribbeln breitet sich immer weiter aus und verursacht immer noch diese Art von Ruhelosigkeit und völlige ANGSTlosigkeit. Ich hatte nie ANGST, nicht mehr von einer dieser Reisen zurückzukommen: Daß eventuell ein Hebel nicht mehr richtig einrastet und ich etwas verliere, was nicht mehr zu ersetzten ist. Auch heute ist da keine ANGST. - aber Furcht vor meiner ANGSTlosigkeit!

Lou Reed nannte so etwas "junkie attitude"! Menschen, die - ohne selbst ein Junkie zu sein - ihr Leben lang mit ihrer Neugierde und der Abstinenz von ANGST leben müssen.

Mein alter Bekannter schaut nur noch selten vorbei. Entweder wenn es mir sprichwörtlich zu gut geht oder wenn ich Rückschläge verkraften muß. Er will nur kurz sicherstellen, wie ich mich gemacht habe ohne ihn, und wie es um mein Leben bestellt ist. Ganz nebenbei erinnert er mich nachdrücklich an die verlockenden Alternativen, die er zu bieten hat.

Es gibt nur einen Menschen, der mir ansieht, wenn er kommt. Diesem Menschen habe ich eine Zeit lang wirklich ANGST gemacht. Das war mein Glück. Sie hat mir gezeigt, daß man auch ohne diesen Bekannten sehr viel Spaß haben kann.

Jetzt kann ich den alten Weggefährten mit einem Lächeln begrüßen - auch wenn es oft schwerfällt. Er wird sich nie ganz von mir trennen, das weiß ich jetzt. Und körperlich merke ich gerade, daß das Kribbeln nachläßt und er sich verabschiedet. Bis zum nächsten Mal!

Sascha Greinke