Die Sucht der Selbstzerstörungvon Carola Otto
Seit sie weiß nichtwie lange steht sie hier auf der Brücke, sieht nicht die Lichter der Stadt, die sich im Wasser spiegeln, hört nicht das Geräusch der Autos auf der Straße hinter ihr. Fühlt nicht das Leben, welches in dieser Stadt um sie herum pulsiert. Alles ist weit weg, betrifft sie nicht, kommt nicht an sie heran. In ihr gibt es nur den Schmerz ganz tief in ihr, nicht's faßbares nicht's erklärbares. Er ist einfach da, es tut weh und sie leidet stumm. Warum? Warum zerstört sie immer wieder alles, was sie sich aufgebaut hat. Sie will doch nur gemocht werden, das Gefühl haben auch was Wert zu sein. Sich einmal sicher und geborgen fühlen. Einmal fühlen, daß sie, Jaimie, von jemandem geliebt wird. Da gab es diesen Mann in ihrem Leben. Er war da, wann immer sie in brauchte. So wie er sich ihr gegenüber verhielt mußte er sie lieben, sagt ihr Kopf, aber glauben kann sie das nicht. Er war gut für sie, sie wußte das und sie liebte ihn. Er war genau der Mann, den sie immer haben wollte und doch tat sie alles um diese Beziehung zu zerstören. Sie verletzte seine Gefühle, sah den Schmerz in seinem Gesicht, der sich in ihren Augen widerspiegelte. Warum tat sie dies, jede Wunde, die sie ihm zufügte. traf sie doppelt so hart. Irgendwann gab er auf und ging. Sie fiel in das Loch aus Verzweiflung, Schmerz und Hass. Hass gegen sie selbst. Da stand sie wieder einmal auf der Brücke. Sie war alleine. Der Wind spielte mit ihren Haaren und in ihr war nicht's..... außer dem Schmerz den sie weder beschreibern konnte noch irgenwie zu fassen bekam. Wie ein verwundetes Tier das sich quält und man kann nur zusehen, da man nicht weiß was ihm fehlt. Es war kein körperlicher Schmerz. Es war dieses kleine Etwas in ihr, gut geschützt durch die Mauer, die sie um es herum aufgebaut hatte. Sie stand dort und war doch gleichzeitig auch neben sich, sah sich zu , wie sie auf der Brücke stand, der Wind ihr eiskalt um die Ohren fegte, sah ihren Körper, der zitternd versuchte, diesem kalten Wind zu wiederstehen. Es ging sie nicht's an, nicht mehr. Sie wußte nicht mehr wohin, sie fühlte sich, als ob sie mit dem Rücken an der Wand stehen würde und er Weg vor ihr ist verborgen in der Dunkelheit. Irgendwann hörte Sie auf zu kämpfen, was dann geschah war ihr egal. Langsam trugen sie ihre Füße zurück zu ihrer Wohnung. Sie schloß die Tür auf und ging hinein. Wohlige Wärme umgab sie, doch sie bemerkte es nicht. Stattdessen legte sie eine CD mit Liedern auf, von denen sie wußte, daß diese sie noch trauriger machen würden. Während der Schmerz immer stärker wurde, holte sie sich ihre Felldecke, in der sie sich immer so geborgen fühlte, sowie das Rasiermesser, den Sekt aus dem Kühlschrank und ein Glas. Langsam, wie in einem Ritual zündete sie eine Kerze an, schenkte sich den Sekt ein und verkroch sich in ihre Felldecke gehüllt in die hinterste Ecke ihres Zimmers. Tränen liefen über ihr Gesicht, tropften am Kinn herab auf ihre zarte Seidenbluse. Langsam, wie in Trance klappte sie das Rasiermesser auf. Das Kerzenlicht spiegelte sich in dem blanken Stahl der Klinge. Lichtreflexe trafen ihre Augen. Während sie so die Klinge betrachtete, überkam sie eine tiefe Ruhe. Denn sie wußte was sie zu erwarten hatte, endlich würde der Schmerz aufhören. Es schien, als ob sie ihren Körperverlassen hätte, als sie auf die junge Frau hinab blickte, die dort zusammengekauert in einer Felldecke auf dem Fußboden saß. Neben sich die halbvolle Flasche Sekt, das Messer in der Rechten Hand. Langsam schob sie den linken Ärmel ihres Pullovers nach oben. Das Gesicht entspannte sich, nahm einen entrückten Ausdruck an. Ja fast als ob sie gleich anfangen würde zu lächeln. Unaufhaltsam nähterte sich das Messer ihrem linken Arm, wurde vorsichtig aufgesetzt. Ihre Augen glänzten, als sie sich bei dem Lied "Never vorget you" in den Arm schnitt. Einmal, zweimal, immer wieder. Das Blut trat aus den offenen Wunden, bildete kleine Rinnsale, die ihren Arm hinunter rannen und vom Ellbogen auf den Boden tropften. Das dunkelrote Blut auf ihrer weißen Haut schien sie zu faszinieren. Sie schaute auf ihren Arm, noch tat er nicht weh, das würde erst später kommen, ......viel später. Eine kurze Weile saß sie dort von allen Schmerzen befreit und genoß das Gefühl der Erleichterung. Dann stand sie auf, verband sich gekonnt den verletzten Arm und ging zu Bett um freidlich einzuschlafen. Wieder einmal. Es war nie eine Droge die sie zerstörte, sondern ihr Drang sich zu verletzten, als ob sie sich selbst bestrafen müßte. Für was? Sie wußte es selbst nicht. Am nächsten Morgen würde sie aufwachen erfüllt von einer Leere, von der sie nicht wußte ob sie ihr gefiel. 28.11.96 Copyright Carola Otto
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