Menthe

Vor etwas mehr als einem Monat zog sie bei uns ein. Sie hat dunkle Haare und braune Augen. Lange hatten wir überlegt, ob es gut wäre, diesen Schritt zu vollziehen, aber dann ging alles ganz rasch. In einer Nonstop-Tour nach Frankreich, die mich einige Kräfte kostete, holten wir sie zu uns, was bis jetzt noch keiner bereut hat. Denn mit Menthe, so heißt sie, kam neues Leben ins Haus, keiner kann ihrer Lebensfreude entgehen, die sie schon am frühen Morgen aufstehen läßt, um die anderen zu wecken. Obgleich schlaftrunken, wie man halt sonntagmorgens um fünf Uhr ist, hat man doch keine Chance, ihr böse zu sein. Angesichts ihres strahlenden Gesichts ist man sogleich mit der Welt versöhnt und vergißt alle Müdigkeit. Die Ordnung hat sie nicht grad erfunden, aber das macht sie nur noch sympathischer. Sehr gern knabbert sie an Ohren oder zwickt in die Nase, ganz vorsichtig tut sie dies, um garantiert keine Schmerzen zu bereiten. Dennoch lief ich zwei Tage mit Nasenpflaster herum, niemand ist perfekt. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt, dass sich alle Leute nach ihr umdrehen und sie bewundern, obwohl dies anfangs schon etwas nervte. Aber wer ist nicht etwas eitel? Gerade steht sie wieder vor mir und mustert mich mit dem ihr eigenen unschuldig-vorwurfsvollen Blick. Und wie sie mich so anschaut, frage ich mich, wie ich nur fünf Jahre ohne Hund leben konnte. Ich weiß es nicht mehr.


von REFU