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Zum Themas Geburt gibt es mehrere Texte:
Draußen sein - von Werner Stangl
Draußen seinEin Versuch
Jetzt ist es genug! Was sollen diese lauten, fremden
Geräusche! Sie reißen mich aus meiner Ruhe.
Ich bin geduldig, aber das ist zuviel. Ich habe lange
gebraucht, mich an das fortwährende Hämmern
zu gewöhnen... Ich habe mich an vieles gewöhnt.
Zuerst an dieses Schaukeln. Es war immer da. Hin und
her und her und hin. Ich habe gelernt, mich nicht dagegen
zu wehren. Ich muß einfach mitspielen. Dann ist
es erträglich. Und die Enge. Endlose Wände.
Ich stoße rechts an, dann links. Nein! Ich werde
gestoßen. Und mit der Zeit wird es immer enger.
Die Wände kommen näher. Wenigstens sind die
Wände gepolstert. Oft höre ich Stimmen. Ich
verstehe nicht, was sie sagen. Sie sind zu weit weg.
Eine Stimme fiel mir von Anfang an auf; sie ist am
lautesten. Ich mag diese Stimme. Oder besser: ich habe
mich an sie gewöhnt. Sie unterscheidet sich von
den anderen Stimmen nicht allein durch die Lautstärke.
Sie hat einen seltsamen Klang, der in mir etwas auslöst...
Ich ahne oft, was sie sagt. Manchmal schweigt sie lange.
Und dann warte ich auf diese Stimme, meine Stimme.
Wenn ich müde bin, lasse ich mich einfach fallen.
Wo ich gerade bin. Es ist ohnehin nicht mehr viel Platz.
Letzte Nacht habe ich gut geschlafen. Früher konnte
ich Tag und Nacht nicht unterscheiden. Ich habe gelernt,
daß es am Tag viel Lärm gibt, während
in der Nacht alles stiller wird. So still, daß
ich ängstlich werde. Das Hämmern wird langsamer
und leiser. Ich lausche dann dem Schlag meines Herzens,
bis er im Einklang mit dem Hämmern ist. Das Schaukeln
wird sanfter. Und ich lasse mich fallen und schlafe
ein. Wie lange ich schlafe? Ich weiß es nicht.
Wenn ich aufwache, dann wiederholen sich viele Dinge:
ein kräftiges Schaukeln, zum ersten Mal meine
Stimme, das Gurgeln und das Glucksen. Ich pendle mich
ein. Ein Tag steht bevor. An den Tagen erkenne ich
Vertrautes. Es gibt ein Muster, einen Rhythmus. Ich
denke manchmal, ich kann das Kommende auslösen
oder beeinflussen. Das ist aber eine Illusion. Es gibt
immer Überraschungen. Neulich ganz laute Töne.
Als ob eine Musikkapelle draußen vorüberzöge.
Ich habe sie seither nie wieder gehört. Ich würde
sie sofort wiedererkennen. Einmal dachte ich, ich ersticke.
Überall Rauch. Mir war schlecht. Ich konnte nichts
dagegen tun. Ich kann mich gegen nichts wehren, alles
geschieht. Wie lange ist es her? Ich habe kein Zeitgefühl.
Nur der Rhythmus von Tag und Nacht hat sich in mir
festgesetzt. Früher wußte ich nicht einmal,
ob ich schlafe oder wache. Nahtlos geht eines ins andere
über. Ich habe gelernt, meine Gedanken zu ordnen.
Manche sind klar, manche unscharf. Woher kommen sie?
Ich weiß es nicht. Manchmal träume ich.
Dann sehe ich ein Licht. Es kommen schemenhafte Gestalten
und ihre Schatten. Ich kann sie nicht festhalten, sie
tanzen an mir vorüber. Ich habe zu ihnen keine
Beziehung. Es geht zu schnell. Manchmal kommt eine
Gestalt auf mich zu und ich möchte fliehen. Wohin?
Heute geschehen seltsame Dinge. Es ist so eine Ahnung,
eine Erregung. Als sollte sich etwas ändern. Irgendwie
ist alles anders als sonst. Aber das ist vielleicht
auch nur ein Gedanke, ein Hirngespinst. Wie alles vielleicht
nur Einbildung ist. Dennoch: Ich habe nichts anderes.
Veröffentlicht in: Schreibwerkstatt 1992. Wien, Internationales Institut für Jugendliteratur und Leseforschung. © Linz 1996 Werner Stangl |
Geburtvon Maria Thielker
Es ist Freitag. Eine innere Unruhe hat uns dazu veranlaßt in die Stadt
zu fahren und die letzten Dinge für unser Baby zu kaufen.
Wir hatten von meinem Gynäkologen einen Teststreifen
bekommen und dieser verfärbte sich dann auch dunkelblau. Da wir aber
nicht sicher waren, wie er sich denn bei Fruchtwasser verfärben sollte,
rief Mike im Krankenhaus an und ließ sich mit der
Entbindungsstation verbinden.
Er telefonierte im Schlafzimmer und ich stand lachend im Badezimmer:
"Guten Abend, ich glaube meine Frau bekommt ein Kind, bzw. Ich weiß, daß
meine Frau ein Kind bekommt, ich weiß nur nicht wann..........."
Ja, der Arme - ich denke daß er da, im Gegensatz zu mir, schon ganz
schön aufgeregt war.
Wir riefen dann den Belegarzt an, den wir Donnerstags noch
aufgesucht hatten. Er meinte, daß wir sofort in seine Praxis kommen sollten.
Wir brachten Susi zu einer Freundin und fuhren los. Auch unterwegs
verlor ich ständig Wasser. Als wir ankamen, war der Arzt schon da,
auf dem Untersuchungsstuhl verlor ich wieder einen Schwall Wasser. Auch
der Arzt hielt einen Teststreifen bereit und meinte: "Ja, das ist
Fruchtwasser, wir fahren sofort in die Klinik."
Um 0:45 Uhr platzte die Fruchtblase, um 1:40 Uhr waren wir in der Praxis
und um 2:15 Uhr lag ich am Wehenschreiber im Kreißsaal.
Die Herztöne des Babys waren in Ordnung, aber das Gerät zeichnetet keine
Wehe auf - ich spürte ja auch keine!
Ich lag da in dem fremden Bett, rechts und links von mir lagen fremde
Frauen, durch das offene Fenster konnte ich den Sternenhimmel sehen.
Mike fehlte mir, ich hätte mich so gerne an ihn gekuschelt und ihm
gesagt, wie aufgeregt ich war. Noch nie hat mir seine tröstende Hand so
sehr gefehlt.
Ich hatte ihr dann gesagt, sie sollte meinen Mann anrufen.
Sie: "Aber der Arme ist doch gerade erst gefahren!"
"Ja und?! Das ist mir egal!"
"Wollen sie nicht zuerst mal die Hebamme anrufen?"
"Nein! Ich möchte, daß sie jetzt meinen Mann anrufen!"
Mike war auch sehr schnell wieder da. Wir saßen noch eine Weile in der
Besucherecke im Flur, aber ich konnte es auf den harten Stühlen nicht
mehr aushalten und wir gingen dann wieder in den Kreißsaal.
Die Wehen wurden mit jedem mal stärker. Ich hatte das Gefühl, daß es
gleich los ginge. Wir riefen die Hebamme, ich weiß nicht mehr wie
lange es dauerte, plötzlich war sie da.
"Hallo, ich heiße Stephanie!"
Eine sehr sympathische Frau, ich denke, sie war in unserem Alter. Sie
legte mir nochmal den Wehenschreiber an und untersuchte mich.
"Der Muttermund ist noch genauso wie bei der Untersuchung durch den Arzt, also. 2-3cm offen.
Das sind auch noch keine richtigen Wehen,
bis euer Kind geboren wird, kann es noch mindestens bis zum Mittag dauern."
Das muß so gegen fünf Uhr gewesen sein.
Ja TOLL !!!! Wenn das noch keine richtigen Wehen waren......WIE sind
dann richtige Wehen????
Wieder waren wir alleine.
Langsam bekam ich es mit der Angst zu tun....keine richtigen Wehen...es
tat doch so verdammt weh...da sollte noch mehr kommen?
Es kam mehr...
Zwischendurch stellte ich mich ans Fenster, stützte mich mit den Armen
auf die Fensterbank und spreizte die Beine, ich versuchte zu atmen, wie
Stephanie es mir gesagt hatte. Ganz tief durch die Nase ein und langsam
durch den offenen Mund aus. In der nächsten Zeit wechselte ich ständig
die Positionen, mal liegend auf dem Kreißbett, dann im Bett auf allen
Vieren hockend, vor dem Bett stehend den Oberkörper im Bett die Zähne
ins Kissen beißend.....
Mike war inzwischen so müde, daß er sich zwei Stühle zusammenschob und
sich darauf legte. Auch ich war schon völlig erschöpft und fiel zwischen
den Wehen in den Schlaf.
Gegen 6:30 Uhr kam eine Schwester und hatte größtes Mitleid mit Mike(!)
wie er da zusammengekauert auf den Stühlen lag. Sie holte mein Bett aus
dem Zimmer und sagte, daß er sich darauf legen könnte. Aber dazu kam er
dann nicht mehr, die Wehen wurden noch mal stärker und dann kam auch
schon der Arzt.
Nach einigen Wehen meinte Stephanie ich sollte mitpressen, ich versuchte
zu pressen, aber das machte den Schmerz noch um einiges schlimmer.
Sekundenlang dachte ich an das was man mir vorher erzählt hatte:....wenn
man erst mal mitpressen darf, ist es eine richtige Erleichterung....
Mike fragte mich ob ich auch zwischen den Wehen Schmerzen hätte, ich
wußte es nicht, Angst hatte ich - Angst vor der nächsten Wehe.
Arzt und Hebamme unterhielten sich über private Dinge, ich sah und hörte
die beiden, aber sie waren ganz weit weg.
Die nächste Preßwehe - ich sah das CTG und zu den Schmerzen kam die
Angst um das Baby - ich sehe keinen Herzschlag mehr...der Puls ist auf
54 runter....Panik...
Stephanie nahm meine Hand und führte sie zu meiner Scheide. Ich spürte
meine Schamlippen und dazwischen etwas warmes, weiches, rundes.....der
Kopf meines Kindes!! Ein wahnsinniges Gefühl!
Jetzt war ich noch mal richtig motiviert, mit der nächsten Preßwehe
nahm ich alle Kraft zusammen. Dann sollte ich nicht mehr
Pressen, und noch mal gab es eine Steigerung....jetzt dachte ich nicht
nur zu zerreißen, jetzt tat ich es!
31.08.96 Maria Thielker
Und es sagte die große Hand zu der kleinen Hand
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