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Zensur im INTERNET (Sept. 1997) |
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Als Ende September 1997 das erste gefälschte Unfallfoto mit der sterbenden Lady Diana im Internet erschienen war, rissen sich auch renommierte internationale Medien um ein Interview mit den Betreibern der Website, die bereits kurz nach der Veröffentlichung des umstrittenen Bildes praktisch unerreichbar geworden war nicht etwa wegen irgendwelcher Zensurmaßnahmen, sondern weil der Server überlastetet war.
Allgemeine Einigkeit besteht darüber, daß man gegen die Anbieter von Kinderpornographie strafrechtlich vorgehen muß, deren Anteil im weltweiten Netzangebot aber verschwindend gering ist. Außerdem macht die dezentrale, internationale Struktur des Internets die Ermittlung und Bestrafung solcher Anbieter sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Der Paragraph 5 des deutschen
Mediendienste-Staatsvertrages entbindet Internet-Service-Provider
ausdrücklich von der Verantwortung für fremde Inhalte, für die sie lediglich den Zugang
bereitstellen. Doch die deutschen Staatsanwälten sehen bereits ein Link zu einem gegen
das deutsche Recht verstoßenden Angebot als strafbar an. In einem konkreten Fall wurde
die ehemaligen PDS-Vorsitzenden Angela
Marquardt Behördlicher Maßnahmen greifen also nicht. Statt dessen etablierten sich zahlreiche Filterprogramme für den heimischen PC, mit denen besorgte Eltern vor Ort ihren Rechner so präparieren können, daß der Zugriff auf unerwünschte Angebote lokal unmöglich wird. Allerdings haben stoßen diese Programme auch auf ihre Grenzen: so schoß der beliebte Cyber Patrol übers Ziel hinaus, als die komplette Website einer Online-Buchhandlung zensiert wurde, weil einer der zahllosen dort angebotenen Buchtitel nicht den Vorstellungen der verantwortlichen Sittenwächter entsprach. Soweit der eigenverantwortliche Schutz von Minderjährigen; was aber, wenn solcher Art Filtersoftware auf die Allgemeinheit angesetzt wird? Zwar verlangen die Statuten der American Library Association von den Bibliotheken einen freien und ungefilterten Netzzugang, doch dies hielt Institute wie die Austin Public Library nicht davon ab, Cyber Patrol auf ihren Computern zu installieren, berichtete FOCUSonline. Neu ist die Regulierung von Internet-Inhalten durch Rating-Systeme, wie man sie etwa von den Altersfreigaben für Kino- und Videofilme kennt. Damit können Kirchen, Universitäten oder auch Kleingartenvereine jeweils eigene Rating-Datenbanken betreiben, die dem User die Entscheidung abnehmen sollen, welche Angebote für ihn geeignet sind - oder auch nicht. Eigentlich ist es die Entscheidung des Benutzers, ob er ein Rating-System in Anspruch nehmen möchte oder nicht doch tatsächlich droht eine Art von Bevormundung. So wollen Suchmaschinen wie Lycos oder Yahoo künftig nur noch Angebote verzeichnen, die sich einem "anerkannten" Rating unterzogen haben. Außerdem kann dieser Ansatz von Zensur auch auf der Ebene von Internet-Providern regeln, welche Angebote zum Anwender durchgelassen werden mit dem Resultat, daß Unliebsames einfach unsichtbar wird. Weniger demokratische Regime können so das Internet für ihre Zwecke filtern, indem sie den nationalen Providern vorschreiben, nach welchen Rating-Kriterien man Angebote überhaupt ins Land hereinläßt. Websites ohne Bewertung könnten dann komplett unterschlagen oder vorher von einer Zensurstelle geprüft werden. Kritiker wie die ACLU oder HotWired-Kolumnist Simon Garfinkel sehen darin das Ende des freien Internet nahen. Die "Selbstreinigung des Netzes", wie sie der Nazijäger Rick Eaton vom Simon Wiesenthal Center im Juni im FOCUS Magazin (23/1997, S. 198) propagiert hat, scheint angesichts der neuen technischen Entwicklungen Wirklichkeit zu werden freilich auf ganz andere Weise, als es sich die Liberalisten der Bürgerrechtsorganisationen vorgestellt haben. Nun läuft alles auf eine Regulierung des Internets hinaus jenes Netzes, das die meisten Experten bis vor kurzem noch für unregulierbar hielten. Doch diesmal ziehen Regierungen, Glaubens- und Interessengemeinschaften, die Internet-Industrie und Elternvereinigungen an einem Strang. Auch Deutschland dürfte mit von der Partie sein, verlangt doch der Mediendienste-Staatsvertrag die Verfügbarkeit technischer Vorkehrungen zur Sperrung von Angeboten, die geeignet sind, "das Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen".
"Die Tage, in denen sich das Internet unkontrolliert als wildwuchernde globale Spielwiese entwickeln konnte, sind gezählt. Der Rasenmäher ist längst unterwegs" schreibt FOCUSonline im September 1997 - dem ist nichts hinzuzufügen. |
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